"Nach langer Seefahrt in die Heimat zurückgekehrt haben sie gemäß meinen Befehlen am 19. Mai 1891 in Vladivostok die Arbeiten an der Eisenbahnlinie eingeweiht, die gemäß meinen Plänen quer durch Sibirien gebaut werden soll."

Zar Alexander III. an seinen Sohn Nikolaj

Foto oben: Das Verlegen der Schwellen und Schienen in Transbaikalien
© Pifferi: Trans Sibirien. Auf der längsten Bahn der Welt. Augsburg 1996

Start und Ziel

Die ersten Pläne für den Bau einer durch Sibirien verlaufenden Eisenbahn tauchten um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts auf. Zu dieser Zeit schlugen die Amerikaner den Bau einer Zugverbindung zwischen den Flüssen Jenissej und Amur vor, die Sibirien den amerikanischen Handel öffnen sollte. Unterstützung fanden die Amerikaner v.a. bei dem Irkutsker Generalgouverneur.Erfolg stellte sich jedoch erst mit der Thronbesteigung von Aleksander III. im Jahre 1881 ein.

So machten sich im Jahre 1887 drei große Expeditionen auf den Weg, um zu überprüfen, ob die angedachten Möglichkeiten der Trassenführung überhaupt zu bewerkstelligen waren.

Bezüglich des Baus der Transsib gab der Staat das Zepter nicht aus der Hand. Der Bau wurde staatlich koordiniert und finanziert – obwohl es nicht an privaten Geldgebern mangelte. Letztendlich ist es auch dem damaligen Finanzminister Sergej Witte zu verdanken, dass im Dezember 1892 in St. Petersburg unter dem Vorsitz des späteren Zaren Nikolaj II. das Komitee der Sibirischen Eisenbahn gegründet wurde.

Dieses Komitee koordinierte parallel zum Bahnbau die weitere Erschließung Sibiriens.

Mit dem Bau der großen sibirischen Bahnlinie wurden mehrere Ziele verfolgt:
Es galt, den strategisch wichtigen Fernen Osten in das Reich zu integrieren, einen besseren Zugriff auf Sibiriens Rohstoffreichtum zu ermöglichen, neue Freiräume für die expandierende russische Industrie zu schaffen, eine stärkere Partizipierung am Welthandel zu erreichen und die Umsiedlung großer Menschenmassen einzurichten.

Die einzelnen Bahnabschnitte der Transsib

Die Transsib wurde in mehreren Etappen und an mehreren Orten des Landes gleichzeitig gebaut. Die einzelnen Bauabschnitte gaben später den Eisenbahnverwaltungen ihre Namen, die bis heute noch gültig sind. Somit entstanden die Westsibirische-, die Mittelsibirische-, die Baikal-, die Transbaikal-, die Amur- und die Ussuri-Bahn.

Die Westsibirienstrecke

Am 19. Juni 1892 begann man in Cheljabinsk mit dem Bau der Westsibirienstrecke, die über Kurgan, Petropavlovsk, Omsk, Kansk zur Bahnstation Ob führt. Hier begann man 1893 eine Siedlung zu erbauen – die heutige Millionenstadt Novosibirsk. Da in Westsibirien viele große Ströme fließen (Ischim, Irtysch, Tobol und Ob), gab es beim Bau der Strecke im Frühjahr arge Probleme mit Hochwasser. Parallel zum Baubeginn suchte man entlang des linken Ob-Ufers nach einem geeigneten Platz, der sich zur Errichtung einer Brücke über den gewaltigen Strom eignete.

Noch heute steht die auf Steinpfeilern errichtete Stahlbrücke.Die Streckenführung durch die Steppe des westsibirischen Tieflands stellte im Vergleich zu den darauffolgenden Abschnitten im Osten kein großes Problem dar. Jedoch gab es beachtliche logistische Schwierigkeiten beim Heranschaffen der benötigten Baumaterialien aus dem europäischen Teil Russlands.

Im Oktober 1896 wurde die Westsibirienstrecke vollständig in Betrieb genommen. Die Westsibirienstrecke erreicht eine Länge von 1415 Kilometer und eine Höchstgeschwindigkeit von 34 km/h, die von den fehlenden Steigungen herrührt.

Die Mittelsibirienstrecke

Die sich von Novosibirsk anschließende Mittelsibirienstrecke führte über Krasnojarsk bis nach Irkutsk an den Baikalsee. Der Bau dieser Strecke dauerte sechs Jahre (1893-1899). Ein Viertel dieser Bahnstrecke lag in einem bergigen Gelände. Als man bis zur Taiga vorgedrungen war, waren umfangreiche Rodungen erforderlich, bei denen auch Sträflinge eingesetzt wurden.

Über 800 Brücken wurden errichtet, von denen 21 aus Eisen waren. Die wohl schönste Eisenbahnbrücke führt bei Krasnojarsk über den Jenissej. Sie ist 950 m lang und wurde vom Brückenbauer Prof. Proskurjakov entwickelt. Die einzigartige Metallkonstruktion wurde auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.

Die aus zwei getrennten Teilabschnitten bestehende Bahnstrecke lief in Krasnojarsk zusammen.
Bei den ersten Zugverbindungen wurde eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 27 km/h erreicht.

Die Baikalstrecke

Die Baikalstrecke ist wohl der landschaftlich schönste Abschnitt der Transsib, wenn auch der ingenieurtechnisch anspruchvollste und kostspieligste. Man hatte sich schon etwas dabei gedacht, als man die Überquerung des Baikalsees mit Fähren favorisierte. Hierfür wurden bereits im Jahre 1893 bei der Werft Armstrong & Co in Glasgow zwei Fährschiffe bestellt, die 1900 fertiggestellt waren. Bereits fertig in Schottland stehend, wurden die beiden Schiffe wieder demontiert und versandfertig gemacht. In Kisten verpackt, wurden die beiden Schiffe schließlich nach Sibirien geschickt und in Listvjanka, bei Irkutsk, erneut zusammengebaut.

Das größere der beiden Schiffe, die "Baikal", hatte eine Länge von 88 m, eine Breite von 18 m und eine Höhe von 8,7 m. Sie fasste 25 Eisenbahnwagons, 200 Passagiere und 750 Tonnen Nutzlast. Leider existiert die "Baikal" heute nicht mehr. Dafür kann man ihre kleine Schwester, die "Angara", heute noch in Irkutsk besichtigen.

Die Fährschiffe fuhren ganze neun Monate im Jahr über den eisfreien Baikalsee. In den verbleibenden drei Monaten griff man auf spezielle Schlitten zurück, um die Wagons über das meterdicke Eis zu transportieren. Während des Russisch-Japanischen Krieges wurden sogar auf dem Eis Gleise verlegt, damit die Versorgung des Ostens beschleunigt werden konnte.

Trotz dieser verwegenen Tat blieb der Baikalsee mit seiner Fährverbindung ein Risiko auf dem Weg nach Osten. Nachdem Russland den Krieg verlor, wollte man diese offensichtliche Schwachstelle beseitigen. Somit fing man 1902 an, dem Schienenstrang eine Trasse in die Felsen des Baikalufers zu sprengen. Für einen Kilometer Bahnstrecke wurde etwa ein Waggon Sprengstoff verbraucht. Aufgrund der zugespitzten Lage im Fernen Osten und des Russisch-Japanischen Krieges wurden die Bauarbeiten sehr schnell in nur zwei Jahren und vier Monaten fertiggestellt.

Die Gesamtlänge der Baikalstrecke beträgt 84 km.

Die Transbaikalstrecke

Mit dem Bau der Transbaikal-Bahn am Ostufer des Baikalsees begann man 1895. Geplant war die Strecke bis Sretensk, wo man dann auf Flussschiffe umstieg, welche auf dem Amur bis nach Chabarovsk schipperten. Erst mit der Eröffnung der Amur-Bahn entstand eine durchgehende Bahnverbindung. Umfangreiche Sprengarbeiten, hohe Steigungen, enge Kurven und Erdrutsche und Überschwemmungen erschwerten den Bau und somit das Vorankommen. Auch standen aufgrund der dünnen Besiedlung nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung.

Deshalb griff man neben Sträflingen auch auf chinesische Arbeiter zurück.

Mitte des Jahres 1900 war es dann endlich vollbracht. Die Transbaikal-Bahn konnte mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 19 km/h ihren Weg fortsetzen.

Die Amurstrecke

Die Amur-Bahn sollte Transbaikalien und Chabarovsk miteinander verbinden, wobei die Erschließung ein großes Problem darstellte. Südliche Ausläufer des Dauerfrostbodens, ausgesprochen harte Fröste, viele zu überwindende Flüsse, die im Frühjahr weite Gebiete überschwemmten und erhebliche Logistikprobleme machten den Bau der Amurstrecke zu einem schwierigen Unterfangen.

Letztendlich entschied man sich für eine veränderte Trassenführung über die zu China gehörende Mandschurei. Es war eine Streckeneinsparung von bis zu 700 km möglich und

die zu leistenden ingenieurtechnischen Arbeiten hielten sich auch in vertretbaren Grenzen.

Doch aufgrund Russlands verheerender Niederlage im Krieg gegen Japan hatte man Sorge, dass im Falle einer japanischen Annexion der Mandschurei Russlands Gebiete im Fernen Osten vom Rest des Reiches abgeschnitten wären – samt der durch die Mandschurei führenden Transsib. Also begannen die Arbeiten am Amur im Jahre 1908 erneut. Im Frühjahr 1916 war das Jahrhundertprojekt mit der Einweihung der Amur-Brücke vor Chabarovsk vollendet.

Fazit

Eine Erschließung Sibiriens wäre ohne die Transsib nicht so schnell möglich gewesen. Die Transsib beförderte die reiche Ausbeute aus den Erzbergwerken in den Westen und an ihrer Strecke entstanden Millionenstädte wie das heutige Novosibirsk. Über 90.000 Arbeiter leisteten Großartiges unter teils sehr widrigen Bedingungen.

Trotzdem soll erwähnt werden, dass ihr Bau zahlreiche Opfer forderte: Viele Arbeiter starben an Seuchen. Strafgefangene mussten bis zur Erschöpfung arbeiten.